In der Freigärtnerei gibt es heute vier Traditionsstränge auf dem Globus. Alle vier Stränge sind miteinander verbunden und haben die gleichen Ziele, aber deren Geschichte und deren Zeremonien unterscheiden sich:
1. Traditionsstrang:
Das bekannteste Zeugnis der modernen Freigärtnerei ist das Protokoll vom 16. August 1676 der Mutterloge der Freigärtner in Haddington. Während des 18. Jahrhunderts wurden ungefähr zwanzig weitere Freigärtnerlogen in Schottland installiert. Am 06. November 1849 wurde in Penicuik ein Treffen organisiert mit dem Ziel, eine Großloge zu gründen. 15 Logen schlossen sich dieser Großloge nicht an und blieben unabhängig. Sie ist in drei Graden organisiert und seit Gründung der Großloge sind nur noch Männer zugelassen.
Im 20. Jahrhundert erfährt die organisierte Freigärtnerei einen Rückgang auf den britischen Inseln, wobei die Organisationsform ausstirbt. Das geschieht über das ganze 20. Jahrhundert hinweg. Am 22. Februar 1953 stellt nach fast 300 Jahren die Mutterloge in Haddington ihre Arbeit ein. 1956 wird der Stammsitz der schottischen Großloge der Freigärtner nach Kapstadt verlegt.
Zwischen den Jahren 2000 bis 2002 suchen Freigärtner aus Südafrika und Australien in Schottland nach ihren Ursprüngen, denn in ihren Ländern existiert die Freigärtnerei unbehelligt weiter. Auf den Reisen finden sie keine aktiven Freigärtnerlogen mehr, aber sie treffen auf viele Freigärtner, die z.B. in Heimatvereinen ein neues Zuhause gefunden haben.
Das Zusammentreffen führt dazu, dass eine Gesellschaft zur Förderung und Revitalisierung der Freigärtnerei in Großbritannien mit Sitz in London ins Leben gerufen wird. Ihr gelingt schließlich mit der Gründung einer neuen Freigärtnerloge namens „The Countess of Elgin No. 105“ in Kirkcaldy, Schottland im September 2002 ein Neuanfang. Die schottische Großloge der Freigärtner mit temporärem Sitz in Kapstadt stellte zeitgleich ein Patent aus, und unterstrich damit die nahtlose Anbindung an die Haddington-Tradition. Es werden in den nächsten Jahren durch die Londoner Freigärtner die modernen englischen Zeremonielle eingeführt und in Deutschland, Frankreich, Belgien und auf den Philippinnen Freigärtnerlogen gegründet. Jahrzehnte später 2018/2019 entsteht aus diesem Traditionsstrang der „International Order of Free Gardeners“ (IOFG abgekürzt) mit Sitz in Belgien. Das ist der erste Strang; er wird der britische Traditionsstrang genannt.
2. Traditionsstrang:
Im 18. Jahrhundert gründen sich aus dem ersten Traditionsstrang heraus Freigärtnerlogen in Australien, die jedoch recht unabhängig von einander existieren. Es sind nur Männer zugelassen. Erst 1873 wird die australische Großloge in Melbourne ins Leben gerufen. Sie verbreitet die Freigärtnerei über den ganzen Kontinent. 1884 wurde ebenfalls in Melbourne der vierte Grad (u.a. auch „Royal Arch Grad“ genannt) in das australische Freigärtner-Systems eingeführt und die Großloge benannte sich in „Grand United Order of Free Gardeners“ um, die seitdem ununterbrochen bis auf den heutigen Tag arbeitet.
Ende des 21. Jahrhunderts nehmen Mitglieder dieser Großloge Kontakt mit der südafrikanischen Großloge auf und bilden eine Kommission, um in Schottland und England nach ihren freigärtnerischen Ursprüngen zu suchen. Zwischen den Jahren 2000 bis 2002 finden Freigärtner aus Südafrika und Australien auf den Reisen viele britische Freigärtner wieder.
Jedoch ändern sich währenddessen die Gesetze in Australien. Aus einem Bericht der „Australian Prudential Regulatory Authority“ vom September des Jahres 2006 geht hervor, dass festgestellt wurde, dass die Standards für Genossenschaften nicht mehr mit dem Steuerrecht vereinbar sind. Die Fonds und Finanzmittel der australischen Freigärtner müssen in die Versteuerung und Liquidation überführt werden. Die Freigärtner dürfen damit auch keine Finanzmittel mehr ansammeln, was ihren sozial-karitativen Zweck komplett aushebelt. Ein Grund ist die fehlende Befähigung zur Gemeinnützigkeit laut dem neuen Steuerrecht, aufgrund des Ausschlusses von Frauen. Dies war ein plötzlicher und herber Schlag für die australischen Freigärtner, der zu einem dramatischen Rückgang der Mitgliederzahlen führte.
Heute existiert nur noch die 1864 gegründete „Victoria Lodge No. 1“, die auch zugleich eine der allerersten Freigärtnerlogen in Australien ist. Mitte November 2023 trifft der amtierende australische Großmeister – Br. Ben Quick – in London den Großsekretär des IOFG – Br. Steven Turner, um sich auszutauschen und anzunähern; zeitgleich gründet er eine australische Freigärtnerloge in England. Das ist der zweite Strang; er wird der australische Traditionsstrang genannt.
3. Traditionsstrang:
Ebenfalls im Verlauf des 18. Jahrhunderts bilden sich aus dem ersten Traditionsstrang heraus Freigärtnerlogen in Südafrika. 1880 gründet sich durch die südafrikanischen Freigärtnerlogen die Großloge „Order of Free Gardeners of Africa“. Sie ist inhaltlich wie auch organisatorisch eine Kopie der britischen Freigärtnerei, nur drei Grade und nur Männer weißer Abstammung werden zugelassen, wie in den meisten britischen Kolonien.
1956 wird der Stammsitz der schottischen Großloge der Freigärtner nach Kapstadt verlegt, nachdem Verhandlungen mit der australischen Großloge gescheitert sind. In Kapstadt verwaltet die südafrikanische Großloge in Personalunion bis auf den heutigen Tag die schottische Großloge mit. Nach der Apartheid öffnet sich die Freigärtnerei, wie die gesamte südafrikanische Gesellschaft, allen Schichten. Das führt aber leider nicht zu dem erhofften Wachstumsschub.
Heute existiert nur noch die Freigärtnerloge „St. David’s Lodge No. 1“, die zugleich auch die erste Freigärtnerloge Südafrikas ist. Das ist der dritte Strang; er wird der südafrikanische Traditionsstrang genannt.
4. Traditionsstrang:
Am 17. März 2020 erfolgt die konstituierende Sitzung des deutschen Freigärtner-Vereins. Die erste Mutterlogenveranstaltung findet am Wochenende des 09.-11. Juli 2021 in Traben-Trarbach statt. Dabei überträgt ein Repräsentant der Waliser Loge „The Cenhinen Lodge of Free Gardeners No. 15“ das Patent der schottischen Großloge von 1849 und übergibt die Zeremonielle an die deutsche Mutterloge „Carl Theodor zum goldenen Garten“. Die deutsche Freigärtnerei nimmt von Anfang an Frauen und Männer gleichermaßen auf, ist in vier Graden unterteilt und als gemeinnützig anerkannt. Die britische Freigärtnerei folgt ab 2021 dem deutschen Vorbild und lässt ebenfalls Frauen zu. Sie gibt aber vor, dass Freigärtnerlogen weiterhin auch monogeschlechtlich bleiben dürfen, wenn sie es bei Gründung gewesen sind.
Am 20. November 2021 fahren zwei Abgesandte der deutschen Mutterloge nach Dour in Belgien zu Aufnahmen der Loge „Fleur de vie Nr. 28“ und erhalten das Patent zu der bereits erteilten Matrikelnummer 30 des IOFG, sowie die originalen Zeremonielle der modernen englischen Freigärtner, die sich erheblich von denen der Waliser Freigärtnerloge unterscheiden. Bei diesen Aufnahmen werden zum ersten Mal Frauen in die belgische Freigärtnerei aufgenommen. Als Gastgeschenk wird eine Version der französischen Zeremonielle überreicht, die aus den ursprünglichen schottischen Zeremoniellen hervorgegangen zu sein scheinen. Dort findet auch der vierte Grad Erwähnung. Eine Kopie von Fragmenten des vierten Grades wird über einen in Deutschland lebenden australischen Freigärtner der Schwetzinger Mutterloge als Schenkung überreicht. Währenddessen werden von der deutschen Mutterloge Freigärtnerlogen in der Schweiz, in Kanada und in Italien installiert.
Grundlage der deutschen Zeremonielle ist eine Übersetzung der ursprünglichen schottischen Zeremonielle. Ausganspunkt der Übersetzung ist dabei der Vergleich zwischen den schottischen, walisischen und englischen Zeremoniellen. Eine Kommission erarbeitet u.a. auch durch die Forschungsarbeit des Freigärtners und Forschers Robert L. P. Cooper die heutigen Zeremonielle. Das ist auch deshalb nötig, weil inzwischen über 20 verschiedene Versionen von Zeremoniellen der Kommission vorliegen, worunter bereits mehrere Variationen der schottischen Ursprungszeremonielle.
Schließlich gründet sich aus der Schwetzinger Mutterloge und den bereits gegründeten deutschen, schweizerischen, italienischen und kanadischen Freigärtnerlogen und -Vorgärten die „Großloge der Freigärtner“ am 14. Mai 2023 und etabliert damit die deutschen Zeremonielle in der internationalen Gemeinschaft der weltweiten Freigärtnerei. Das ist der vierte Strang; er wird der deutsche Traditionsstrang genannt.
Alle Traditionsstränge sind in einem losen und nicht formellen Abkommen vertreten und sie haben die gleichen Ziele, Pflichten, Rechte und Tugenden.