Florenz 28.07.2020 | Der Giardino di Boboli ist ein Freilichtmuseum der Gartenskulptur in Florenz, worin römische Altertümer, Werke des 16. und 17. Jahrhunderts ausgestellt sind und Heimstatt einer wichtigen Sammlung von Skulpturen bietet.
Der Garten wurde in mehreren Phasen erweitert, umgebaut und bekam im 17. Jahrhundert seine heutige Größe von 4,5 Hektar. Das Land für den Garten wurde einer Familie Bogoli abgekauft, wovon sich bis heute sein Name herleitet.
Er wurde von Eleonora von Toledo in Auftrag gegeben, der Ehefrau von Großherzog Cosimo I. de‘ Medici. Der Garten ist einer der bekanntesten italienischen Gärten des 16. Jahrhunderts. Seine offene Gestaltung, die einen weitläufigen Blick über die Stadt erlaubt, war für die damalige Zeit eher ungewöhnlich.
Bartolomeo Ammanati führte die Gartengestaltung fort nachdem Niccolo Tribolo plötzlich 1550 verstarb, der bereits damit angefangen hatte. Giorgio Vasari unterstützte ihn bei der Planung und installierte selbst einige der Grotten. Die Skulpturen wurden von Bernardo Buontalenti gestaltet, der auch die Moses-Grotte im Hof, der den Palast vom Garten trennt, konzipiert hat.
Über der Moses-Grotte erhebt sich ein Springbrunnen als Anspielung, dass die abendländische Kultur u.a. im Mosaischen zu suchen ist, wobei die vier weiteren in der Grotte angeordneten Statuen als Tugenden des Großherzogtums Toskana verstanden werden sollen:
- La Carità (Die Barmherzigkeit) di Agostino Ubaldini, 1623
- L’Imperio (Die Oberherrschaft) di Domenico Pieratti, 1635/36
- Lo Zelo (Der Pflichteifer) di Domenico Pieratti, 1635/36
- La Legge (Das Gesetz) di Antonio Novelli, 1635
Zum Mosaischen Gesetz »Auge um Auge, Zahn um Zahn« gesellt sich das christliche »Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst« (1) samt Leittugenden (2-4). Der sich daraus sinnbildlich speiende Springbrunnen darüber ist das Konzentrat aus mosaischer, christlicher und römischer Kultur: abendländische Kultur.
Im Gartenbaustil der damaligen Zeit weist er neben Sichtachsen und breiten Kieswegen eine größere Menge steinerne Elemente, Statuen und Brunnen sowie eine Aufteilung in halbprivate und öffentliche Bereiche auf, die durch klassische Akzente wie Grotten, Tempel und Baumanlagen gebildet werden.
Die erste Hauptachse, die auf die rückwärtige Fassade des Palazzos ausgerichtet ist, steigt von einem Amphitheater – das in seiner Form an ein halbes Hippodrom erinnert – auf den Boboli-Hügel hinauf. Die erste Hauptachse endet über den Neptun-Brunnen (1571), einer Skulptur von Stoldo Lorenzi (1533/34-1583), bei der Statue des Überflusses. Die Statue ist der Göttin Ceres nachempfunden, die ein Ährenbündel in der linken Hand hochhält und in ihrer rechten das Füllhorn als Attribut der Überflusses erkennen lässt.
In der Mitte des Amphitheaters steht ein original antiker ägyptischer Obelisk, der von der Villa Medici in Rom dorthin gebracht wurde. Dahinter erhebt sich eine antike Statue eines römischen Kaisers. Die Statue und die heutzutage steinerne Zuschauertribüne mit verschiedenen Figuren soll darauf hinweisen, dass die im Palazzo Pitti gestaltete Politik nur von vergangenen Kaisern, Politikern, Führern und Weltgestaltern beurteilt werden kann.
Eine zweite Hauptsichtachse im rechten Winkel zur ersten Hauptachse führt durch eine Reihe von Terrassen, Statuengruppen und Wasserspielen zur Okeanos-Fontäne im Südwesten der Gartenanlage hinunter. Okeanos wird u.a. auch als Vater aller griechischen Götter und als Ursprung der Welt bezeichnet. Als Pendant zu Neptun ist er der passive Meeresgott.
Thematisch angeordnet, findet sich die Adam-Eva-Grotte abseits. Liest man die Gartenanlage vom Westen aus, so beginnt mit Okeanos im Südwesten die Welt wobei die biblische Schöpfungserzählung immer latent mitklingt. Bewusst wird mit Adam, Eva und der Schlange abseits im Nordwesten der biblische Zeitpunkt des Paradieses dargestellt als beide anfingen Feigenblätter aus Scham zu tragen (vgl. 1. Buch Moses 3,7). Die Schlange wird mit menschlichem Oberkörper und Schlagenunterleib dargestellt und erinnert an die ältesten Darstellungen des Gottes Okeanos.
Den Themenplan weiter folgend gelangt man zur Moses-Grotte, die bereits oben näher beschrieben wurde. Auch sie ist eher abseits, unterhalb des Gartens zu finden und verweist auf die latente Bedeutung des Biblischen. Damit ist der biblische Zyklus vom Westen mit der Schöpfung (Okeanos), Sündenfall (Adam-Eva-Grotte) und mit der Offenbarung des Gesetzes (Moses-Grotte) im Osten komplett. Das bestätigt auch das Gefälle, wie den Aufstieg zum Berg Sinai (2. Buch Moses 19,20).
Liest man die Gartenanlage nun weiter vom Norden (Dunkelheit) zum Süden (Licht), so beginnt der Aufstieg beim Palazzo Pitti (Toskana) über den Springbrunnen worunter sich die Moses-Grotte (Israel) befindet weiter über den Obelisken (Ägypten) zum Kaiser (Rom) bis hin zum Neptun-Brunnen (Griechenland) und zur Statue des Überflusses (Welt), die als höchster Punkt des thematischen Gartens betrachtet werden kann.
Damit stellt der Großherzog Cosimo I. de‘ Medici seine Oberherrschaft, sein Primat nicht nur über die Toskana sondern über die ganze Welt dar, und verdeutlicht schließlich damit – wie bereits gesagt, dass die im Palazzo Pitti gestaltete Politik nur von vergangenen Kulturen beurteilt werden kann. Dabei gibt es ausschließlich eine Richtgröße, die sich in der Statue des Überflusses manifestiert. Jede Herrschaft, Oberherrschaft, Kultur, Zivilisation und jedes Imperium muss sich in seinen Augen daran bemessen lassen, dass Führungsschicht und Untertanen im Überfluss leben.
Comments are closed