
Freigärtner sehen u.a. in einem Garten einen spirituellen Zugang zu sich selbst.
Die Idee der Freigärtner nimmt Bezug auf den biblischen Paradiesgarten sowie auf die Pflege des Erdbodens, was metaphorisch mit der Kultivierung des Geistes, der Seele und der Tugenden gleichgesetzt wird.
Die Bezugnahme auf den Paradiesgarten aber auch auf den Baum des Lebens, der mitten im Paradiesgarten stand, stellt auch eine bewusste Verbindung zur jüdisch-christlichen Mystik dar.
Haltung eines Freigärtners
Die Haltung der Freigärtner entspricht einem tiefen Respekt vor dem Schöpfer, der Schöpfung, einem achtsamen Umgang mit der Natur und einem geschwisterlichen Miteinander unter den Menschen.
Sie verehren Adam, den ersten Gärtner, Noah, den ersten Bewahrer nach der Sintflut und Winzer, Salomo, der um seinen legendären Tempel einen königlichen Garten anbauen lies, aus dem allerlei Räucherwerk, Weihrauch, Harze und Öle für den Tempeldienst gewonnen wurden, sowie Jesus Christus, den letzten Gärtner und Gestalter eines neuen Paradiesgartens im Sinne einer neuen Weltordnung.
Der königliche Schlossgarten in Jerusalem
Als der salomonische Tempelbau beendet wurde (im 10. Jhdt. v. Chr.), zogen die Bauleute weiter aber die Gärtner blieben und kümmerten sich um den königlichen Garten bis er 586 v. Chr. durch die Neubabylonier zerstört wurde; so berichtet es eine Legende der antiken Freigärtnerei.
Dem nachdenklichen Gärtner werden sich neue Erkenntnisse erschließen – ein Vorzug, der mit den allerersten Wurzeln des Gärtnerns ursächlich verknüpft ist. Im ersten Garten stand der Baum der Erkenntnis, und der Moment, da unsere Stammeseltern von dessen Frucht aßen, zuerst die Frau, dann der Mann, war die Geburtsstunde des gedankenvollen Gärtnerns. Ihnen ging auf, dass der Garten nicht mehr die ganze Welt war. Nach ihrer Vertreibung mussten sie feststellen, dass Pflanzen nicht grundsätzlich in göttlicher Überfülle wachsen. Seit jener Zeit mussten sie fortan denken, während sie im Schweiße ihres Angesichts gruben und ackerten, dachten und »Vergleiche anstellten, Auswahlen trafen«. Vor allem mussten sie an den Garten denken, den sie verloren hatten, …
DER ENGLISCHE GÄRTNER – LEBEN UND ARBEITEN IM GARTEN
VON ROBIN LANE FOX. J. G. COTTA’SCHE BUCHHANDLUNG. STUTTGART 2018. S. 25-26.